Die österreichische Arbeitswelt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Künstliche Intelligenz verändert Arbeitsabläufe, Berufsbilder und Geschäftsmodelle in nahezu allen Branchen. Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Entwicklungen und Trends rund um KI in österreichischen Unternehmen und zeigt auf, wie sich Arbeitnehmer und Organisationen auf diese neue Ära vorbereiten können.
KI-Adoption in der österreichischen Wirtschaft
Laut einer aktuellen Studie der Wirtschaftskammer Österreich setzen bereits 43% der mittleren und großen Unternehmen in Österreich KI-Technologien in mindestens einem Geschäftsbereich ein. "Die Implementierung von KI-Lösungen hat in den letzten zwei Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen", erklärt Dr. Alexandra Maier, Digitalisierungsexpertin der WKO. "Besonders in den Bereichen Kundendienst, Produktionsoptimierung und Datenanalyse sehen wir eine starke Zunahme."
Vorreiter sind dabei traditionell die Technologie- und Finanzbranche. So nutzt etwa die Raiffeisen Bank International KI-Systeme zur Betrugserkennung und Risikobewertung, während der Halbleiterhersteller Infineon Technologies Austria in Villach KI zur Optimierung von Produktionsprozessen einsetzt.
Doch auch in traditionelleren Branchen findet KI zunehmend Anwendung. "Wir setzen maschinelles Lernen ein, um Wartungsarbeiten vorherzusagen und zu planen, was unsere Ausfallzeiten um fast 30% reduziert hat", berichtet Ing. Martin Gruber, Technischer Leiter bei einem mittelständischen Produktionsunternehmen in der Steiermark.

Moderne KI-gestützte Arbeitsplätze in einem Wiener Technologieunternehmen
Transformation von Arbeitsplätzen und Berufsbildern
Die Integration von KI in Unternehmensprozesse führt zu einer Neugestaltung von Arbeitsplätzen und Berufsbildern. Entgegen weit verbreiteter Befürchtungen geht es dabei jedoch oft nicht um den vollständigen Ersatz menschlicher Arbeitskräfte, sondern um eine Verlagerung von Aufgaben.
"KI übernimmt zunehmend repetitive und standardisierte Tätigkeiten, während Menschen sich auf kreative, strategische und soziale Aspekte der Arbeit konzentrieren können", erläutert Univ.-Prof. Dr. Johannes Berger vom Institut für Arbeitsmarktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien. "Dies führt zu einer Polarisierung des Arbeitsmarktes: Während Routinetätigkeiten im mittleren Qualifikationsbereich abnehmen, wächst die Nachfrage sowohl nach hochqualifizierten Spezialisten als auch nach Tätigkeiten mit starkem menschlichem Kontakt."
In österreichischen Unternehmen zeigt sich diese Entwicklung bereits deutlich. Bei der Versicherungsgruppe UNIQA werden einfache Schadensmeldungen mittlerweile automatisch von KI-Systemen bearbeitet, während die Mitarbeiter sich auf komplexe Fälle und die persönliche Kundenbetreuung konzentrieren. "Die Einführung von KI hat unsere Prozesse nicht nur effizienter gemacht, sondern auch die Arbeitszufriedenheit erhöht, da langweilige Routineaufgaben wegfallen", berichtet Dr. Sabine Mayer, Leiterin der Digitalisierungsabteilung bei UNIQA.
Neue Berufsbilder und Kompetenzen
Mit der Verbreitung von KI entstehen auch völlig neue Berufsbilder und Kompetenzanforderungen. "Wir sehen eine wachsende Nachfrage nach Prompt Engineers, KI-Ethikern und Human-AI Collaboration Specialists", erklärt Mag. Robert Steiner, Geschäftsführer einer auf IT-Recruiting spezialisierten Personalberatung in Wien. "Diese Positionen existierten vor wenigen Jahren noch gar nicht."
Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen in bestehenden Berufen. "Fast jede Position, vom Marketingspezialisten bis zum Produktmanager, erfordert heute ein grundlegendes Verständnis von KI und die Fähigkeit, mit intelligenten Systemen zusammenzuarbeiten", so Steiner weiter.
Dies stellt sowohl Arbeitnehmer als auch Bildungseinrichtungen vor Herausforderungen. Die Technische Universität Wien hat darauf mit der Einrichtung eines interdisziplinären Masterstudiengangs "KI und Gesellschaft" reagiert, der technische Expertise mit Kenntnissen in Ethik, Recht und Soziologie verbindet. Auch in der beruflichen Weiterbildung gewinnt das Thema an Bedeutung: Das WIFI bietet mittlerweile spezielle Kurse zur "KI-Kompetenz für Fach- und Führungskräfte" an.
KI im Recruiting und Personalmanagement
Ein Bereich, in dem KI in österreichischen Unternehmen besonders sichtbar wird, ist das Personalwesen. Von der Kandidatenauswahl über das Onboarding bis hin zur Personalentwicklung kommen intelligente Systeme zum Einsatz.
"Wir nutzen KI-gestützte Tools, um aus Hunderten von Bewerbungen diejenigen zu identifizieren, die am besten zu unseren Anforderungen passen", erklärt Mag. Christine Berger, HR-Direktorin eines großen Handelsunternehmens. "Das System analysiert nicht nur Lebensläufe, sondern auch Soft Skills und kulturelle Passung, basierend auf unseren bisherigen Erfahrungen mit erfolgreichen Mitarbeitern."
Auch im Bereich der Mitarbeiterentwicklung gewinnt KI an Bedeutung. So setzt der Technologiekonzern Siemens Österreich auf personalisierte Lernprogramme, die mittels KI individuell an den Wissensstand und die Karriereziele der Mitarbeiter angepasst werden.
Doch der Einsatz von KI im Personalbereich wirft auch ethische Fragen auf. "Wir müssen sicherstellen, dass diese Systeme fair und diskriminierungsfrei arbeiten", betont Dr. Stefan Müller vom Institut für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. "Die Gefahr besteht, dass Algorithmen bestehende Vorurteile reproduzieren oder verstärken."
Chancen und Herausforderungen für KMUs
Während Großunternehmen oft über die Ressourcen verfügen, um KI-Technologien umfassend zu implementieren, stehen kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) vor besonderen Herausforderungen. Gleichzeitig bieten sich gerade für sie auch spezifische Chancen.
"KI-as-a-Service-Angebote ermöglichen es heute auch kleineren Unternehmen, von KI zu profitieren, ohne eigene Entwicklungsteams aufbauen zu müssen", erklärt Dipl.-Ing. Thomas Wagner von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. "Cloud-basierte Lösungen für Bildanalyse, Textverarbeitung oder Vorhersagemodelle können mit überschaubarem Aufwand in bestehende Prozesse integriert werden."
Die Tischlerei Huber aus Tirol ist ein Beispiel für ein KMU, das KI erfolgreich einsetzt: "Wir nutzen eine KI-Software, die aus Kundenskizzen automatisch detaillierte 3D-Modelle und Materiallisten erstellt", berichtet Geschäftsführer Josef Huber. "Das hat unsere Planungszeit halbiert und die Fehlerquote drastisch reduziert."
Um KMUs bei der Digitalisierung zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort das Förderprogramm "KI für KMU" ins Leben gerufen, das Beratung, Schulungen und finanzielle Unterstützung für KI-Projekte bietet.
Arbeitsrechtliche und soziale Aspekte
Die Integration von KI in die Arbeitswelt wirft auch arbeitsrechtliche und soziale Fragen auf. "Wir müssen klären, wie Entscheidungen, die von KI-Systemen getroffen oder unterstützt werden, arbeitsrechtlich zu bewerten sind", erläutert Dr. Maria Schmidt, Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer Wien. "Wer trägt die Verantwortung, wenn ein KI-System fehlerhafte Entscheidungen trifft? Und wie gehen wir mit der zunehmenden Überwachung und Leistungskontrolle durch intelligente Systeme um?"
Die Gewerkschaften fordern daher klare Regelungen für den Einsatz von KI am Arbeitsplatz. "Wir brauchen Transparenz darüber, welche Daten gesammelt werden und wie sie verwendet werden", betont Peter Mayer von der Gewerkschaft GPA. "Außerdem müssen Betriebsräte bei der Einführung solcher Systeme einbezogen werden."
Auch die Frage der Qualifizierung und Umschulung von Arbeitnehmern, deren Tätigkeiten durch KI verändert werden, gewinnt an Bedeutung. Das Arbeitsmarktservice (AMS) hat darauf mit dem Programm "Digitale Kompetenzen" reagiert, das gezielte Weiterbildungsangebote für von der Digitalisierung betroffene Beschäftigte bietet.
Ausblick: Die Zukunft der Arbeit in Österreich
Wie wird die österreichische Arbeitswelt in zehn Jahren aussehen? Experten sind sich einig, dass KI nahezu alle Bereiche durchdringen wird, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
"Wir bewegen uns auf eine hybride Arbeitswelt zu, in der Menschen und KI eng zusammenarbeiten", prognostiziert Prof. Berger. "Die Systeme werden zunehmend autonomer, aber der Mensch behält die Kontrolle über strategische Entscheidungen und die Definition von Zielen und Werten."
Diese Entwicklung bietet große Chancen für den Wirtschaftsstandort Österreich, der mit seiner hohen Bildungsqualität und starken Innovationskraft gut positioniert ist. "Wenn wir die digitale Transformation aktiv gestalten und in die Qualifizierung unserer Arbeitskräfte investieren, kann KI zu einem Wettbewerbsvorteil für österreichische Unternehmen werden", ist Dr. Maier von der WKO überzeugt.
Gleichzeitig werden soziale Innovationen und neue Arbeitsmodelle an Bedeutung gewinnen. "Die Produktivitätsgewinne durch KI könnten zu neuen Arbeitszeitmodellen, verstärkter Telearbeit und einer Neubewertung von Tätigkeiten führen, die nicht leicht automatisierbar sind, wie Pflege, Bildung oder kreative Berufe", meint Dr. Schmidt von der AK.
Fazit
Die KI-Revolution in der österreichischen Arbeitswelt hat bereits begonnen und wird sich in den kommenden Jahren weiter beschleunigen. Sie bietet enorme Chancen für Innovation, Produktivitätssteigerung und neue, erfüllendere Tätigkeiten. Gleichzeitig stellt sie Unternehmen, Beschäftigte und die Gesellschaft als Ganzes vor die Herausforderung, diesen Wandel aktiv zu gestalten.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kombination technologischer Innovation mit sozialer Verantwortung: Investitionen in Bildung und Weiterbildung, faire Verteilung der Produktivitätsgewinne und klare ethische Leitlinien für den Einsatz von KI. Wenn dies gelingt, kann Österreich den digitalen Wandel nicht nur bewältigen, sondern aktiv mitgestalten – zu einem Vorteil für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen.